Zwei Kletterer sitzen mit dem Rücken zur Kamera, auf den Shirts steht DAV Team  | © Ralf Holtgrefe

Inklusives Schnupperklettern im UP stark nachgefragt

Der Bedarf an inklusiven Sportangeboten ist offenbar hoch. Jedenfalls folgten am Sonntag, den 22.09.24, mehr als 70 Menschen mit Behinderung nebst zahlreichen Angehörigen, Freund*innen und Betreuer*innen der Einladung der Sektion Oldenburg des Deutschen Alpenvereins ins UP-DAV Kletterzentrum in Hundsmühlen. Bereits kurz nach Öffnung der Kletterhalle herrschte entsprechend großer Andrang beim „inklusiven Schnupperklettern“ und das zehnköpfige ehrenamtliche Trainer*innenteam hatte alle Hände voll zu tun.

War das Klettern für manche Teilnehmer*innen zunächst mit einiger Überwindung verbunden, waren andere mutig und forsch am Start. Entsprechend ging es mit Begeisterung und von immer wieder aufbrandendem Applaus und anspornenden Zurufen begleitet, die Kletterwände mal mehr, mal weniger weit, aber immer mit großer Motivation, hinauf.

Dabei konnten nicht nur Menschen mit verschiedensten Handicaps das mit Seil gesicherte Klettern ausprobieren, ebenso waren begleitende Personen eingeladen, mit simulierten Einschränkungen zu erleben, wie sich das Klettern mit einer Behinderung anfühlt. Wie ist es, z. B. mit einer starken Sehbehinderung oder mit einer versteifenden Orthese am Fuß die Klettergriffe zu ertasten um – natürlich fachkundig gesichert - die Wand hoch zu kommen?

Aber nicht nur das Ausprobieren stand auf dem Programm. Ebenfalls gab es einen kleinen Vortrag über inklusiven Klettersport, die Unterschiede im „Paraclimbing“ und die moderne Entwicklung bis hin zum Leistungssport. So berichtete Aldrik Bethke, selbst Paraclimber aus Oldenburg, Mitglied im DAV Bundeskader und Beauftragter für Paraclimbing in Niedersachsen, über seinen Werdegang bis hin zu Weltcupwettkämpfen. Und er rundete seine Ausführungen unter großem Beifall mit einer beeindruckenden Kletterdemonstration ab.

Alle Teilnehmer*innen erhielten zum Abschluss eine Urkunde als Erinnerung an einen besonderen Tag. Und so war insgesamt wohl nicht nur aus Sicht der Veranstalter der Schnuppertag ein gelungener Beitrag zur gesellschaftlichen und sportlichen Teilhabe für Menschen mit Behinderung. Die Rückmeldungen aus dem Teilnehmer*innenkreis jedenfalls machen Mut zu mehr!

Unterstützt wurde unsere Veranstaltung von „A.L.M. – Alpen, Leben, Menschen - Inklusion“ sowie generell das Paraclimbing von „Aktion Mensch“, dem DOSB und der Deutschen Sportjugend.

Eine Kletterin bei einer Simulation einer Sehbehinderung, daneben steht ein Trainer | © Kletterzentrum
© Kletterzentrum

Simulation einer Sehbehinderung

Aldrik Bethke klettert beim Kadertraining an der Kletterwand | © Kletterzentrum
© Kletterzentrum

Aldrik Bethke, Worldcup-Teilnehmer, hier beim Kadertraining in Frankfurt

Für unser Jahresheft hat Thomas Tamke ein Interview mit Aldrik Bethke geführt, dass ihr auf dieser Seite nachlesen könnt.

Wir stellen vor: Aldrik Bethke, Paraclimber im DAV Nationalkader

Moin, mein Name ist Aldrik Bethke. Ich arbeite an einer Förderschule als pädagogische Fachkraft, bin Rettungsschwimmer, Boulder-Trainer, Paraclimbingbeauftrager für das Land Niedersachsen und passionierter Kletterer im DAV-Nationalkader vom Paraclimbingteam Germany. Seit diesem Jahr bin ich Sektionsmitglied beim DAV Oldenburg und außerdem habe ich im September gemeinsam mit Thomas Tamke einen inklusiven Klettertag im Up-Kletterzentrum organisiert. Weitere inklusive Events sind auch schon in Planung.

Das ist eine gute Frage! Ich bin tatsächlich durch Social-Media auf das Paraclimbing Team gestoßen. Mein Algorithmus hat mir vor zwei Jahren ein Video von Jaqueline Fritz gezeigt, einer beinamputierten Athletin aus dem Team, wie sie am Teamtraining teilgenommen hat. Daraufhin bin ich ihr gefolgt und habe so Kontakt zum Team bekommen.  
Als ich vor 7 Jahren mit Bouldern anfing, habe ich aus Spaß manchmal gesagt, dass ich irgendwann bei den Paralympics klettern werde und plötzlich rutscht dieser Spaß in realistische greifbare Reichweite. Ach ja, an dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass mir vier Finger an meiner linken Hand fehlen, weshalb ich als gehandicapt gelte.

Ich habe den Sport angefangen, da ich schon immer die Herausforderung gesucht habe und ich schnell beim Klettern gemerkt habe, wie sich die Kraft meiner linken Hand gesteigert hat und ich in der Bewegung und im Umgang mit meiner Hand sicherer geworden bin.

Ich habe bereits an zwei Master-Wettkämpfen in der Schweiz und in Groningen teilgenommen, wo ich in der Schweiz auf dem dritten und in Groningen auf dem zweiten Platz gelandet bin. Seit diesem Jahr bin ich offiziell im DAV-Kader des Teams und durfte an mehreren Teamtrainings in Innsbruck, Frankfurt und Forchheim teilnehmen. Dazu gehören auch monatliche Online-Meetings, in welchen wir kommende Wettkämpfe, Wettkampfentwicklung, Trainingseinheiten o.ä. besprechen. Auf zwei World Cups konnte ich auch schon mit klettern, der eine fand in Innsbruck in Österreich statt. Dort war ich sehr nervös, habe deswegen auch ein - zwei Fehler gemacht und bin auf dem 7. Platz gelandet. Im Oktober war ich dann in Arco in Italien, hier war ich schon etwas sicherer, ich bin zwar „nur“ auf dem 6. Platz gelandet, aber es war sehr eng und ich habe den Einzug ins Finale nur knapp verpasst. Manchmal begreife ich selbst noch gar nicht, auf welchem Niveau ich mittlerweile Wettkämpfe bestreite.

Für mich sind die Erfahrungen, die ich bei den Wettkämpfen, als auch die bei den Teamtrainings, unbezahlbar und unglaublich wertvoll. Ich lerne super viel über mich selbst, mein Handicap und den Umgang damit. Bevor ich ins Team gekommen bin, hatte ich keinen anderen Menschen mit gleichem Handicap kennengelernt.
Inklusion im Klettersport bietet in meinen Augen sehr viel Potenzial, da jede*r die Möglichkeit hat, eigene Grenzen zu überwinden und über sich hinauszuwachsen. Außerdem verbindet Klettern miteinander, es bietet viel Raum, um Selbsterfahrungen zu sammeln und das Selbstwertgefühl zu steigern. Diese Möglichkeit und diese Ansicht möchte ich mit vielen Menschen teilen.
Auf internationaler Ebene ist enormes Wachstum zu verzeichnen, wir haben dieses Jahr erfahren, dass Paraclimbing 2028 in Los Angeles als olympische Disziplin mitaufgenommen wurde. Dies ist ein großer Meilenstein, und wir gehen davon aus, dass der Sport dadurch einen enormen Zuwachs bekommen wird.

Das ist eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist, da meine „Karriere“ noch nicht so lang ist. Ich habe diesbezüglich zwei Dinge im Kopf, auf der einen Seite war es der Schritt für mich einzugestehen, dass ich wirklich gehandicapt bin, da ich dies bis zum Anfang meiner Karriere noch anders gesehen habe. Als Zweites fällt mir meine Platzierung auf meinem ersten World Cup ein, da ich mindestens sechster Platz werden wollte und mein eigenes Ziel nicht erreicht hatte. In beiden Fällen hat mir mein Umfeld sehr geholfen und vor allem auch der Fakt, dass ich noch gar nicht so lange am Seilklettern bin und meine Leistungen dafür schon gut sind. Ich probiere viel im Moment zu sein und möglichst positiv in die Zukunft zu schauen, dadurch ziehen mich vermeidliche Misserfolge nicht so runter. Was ich hin und wieder noch als Herausforderung sehe, sind die finanziellen Gegebenheiten oder Voraussetzungen, da ich derzeit alles noch selbst finanzieren muss. Leider gibt es hier hingehend noch nicht so viel Förderung vom DAV, jedoch soll sich dies wohl hoffentlich auch im nächsten Jahr ändern.

Ich kann alle jungen Menschen mit Handicap nur dazu ermuntern, Klettersport auszuprobieren! Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es eine große Bereicherung für einen selbst ist. Natürlich muss man ja auch nicht an Wettkämpfen direkt teilnehmen, doch ich mag jeden und jede dazu ermutigen! Wer weiß, vielleicht ist er oder sie ja der oder die nächste Topathletin oder der nächste Topathlet. Was ich auch noch sagen möchte: Es ist wichtig, immer dranzubleiben und sich nicht unterkriegen zu lassen, wenn etwas mal nicht klappt. Gerade beim Klettern geht es darum, es immer wieder zu probieren, bis es klappt!

Aldrik, wir danken für diese Interview und wünschen dir für die Zukunft viel Erfolg, vor allem aber alles Gute!

Kletterer bei den Special Olympics Niedersachsen | © Ralf Holtgrefe

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Auf der Website des DAV findest Du noch mehr Infos zum Paraclimbing.